Wie uns Gemeinschaft und Unterstützung durch die letzte Lebensphase meines Vaters getragen haben
Nur drei Wochen nach dem unerwarteten Tod unserer Mutter erhielt mein Vater die Diagnose Lungenkrebs.

Diese Nachricht traf uns völlig unvorbereitet in einer Zeit, in der wir selbst noch tief in unserer Trauer gefangen und sehr fragil waren. Wir hatten den Verlust unserer Mutter kaum zu begreifen begonnen, da riss uns die neue Diagnose den Boden erneut unter den Füssen weg. Alles fühlte sich noch zerbrechlicher, noch schmerzhafter an.
«Für meinen Vater war von Anfang an klar: Er wollte keine Chemotherapie, keine langen Klinikaufenthalte. Er wollte sein Leben bis zuletzt selbst gestalten – selbstbestimmt und möglichst zu Hause.»
Christa S.
Für meinen Vater war von Anfang an klar: Er wollte keine Chemotherapie, keine langen Klinikaufenthalte. Er wollte sein Leben bis zuletzt selbst gestalten – selbstbestimmt und möglichst zu Hause. Autonomie war für ihn von unschätzbarem Wert, eine Haltung, die aus seiner Vergangenheit als Verdingkind gewachsen war. Hilfe liess er nur dann zu, wenn er sie als freiwillig und respektvoll empfand.
Gerade deshalb waren die kleinen, vertrauten Rituale, die er sich bis zum Schluss bewahrte, von grosser Bedeutung. Auch wenn er nicht mehr die Kraft zum Turnen hatte, war das Treffen danach – das Zusammensitzen und Reden mit alten Freunden – für ihn wichtig und ein Stück Heimat. Diese Gemeinschaft stärkte ihn und gab ihm Halt in einer Zeit, die von Unsicherheit geprägt war.
«Für uns als Familie war es eine Herausforderung, seine Grenzen zu respektieren.»
Christa S.
Für uns als Familie war es eine Herausforderung, seine Grenzen zu respektieren. Besonders in unserer eigenen Verletzlichkeit hätten wir ihn gerne „umsorgt“. Doch unser Vater bestimmte, wann und von wem er Unterstützung annehmen wollte. Die private Pflegefachfrau, die uns von der Onkologin empfohlen wurde, war eine der wenigen Hilfen, die er akzeptierte – eine Fachperson, die seine Autonomie achtete.
Als sein Zustand sich verschlechterte, bat er schliesslich selbst darum, ins Spital zu gehen. Ich fuhr mit ihm auf die Palliativstation. In diesen letzten Tagen durften wir erleben, wie heilsam eine gute, respektvolle Begleitung am Lebensende sein kann: die Ärztin, die ihn mit viel Feingefühl betreute, die Pflegekräfte, die ihm seine Würde bewahrten, der Spitalpfarrer, der mit ihm über tief verborgene Erinnerungen aus seiner Kindheit sprach.
Es überraschte mich, wie sehr er in diesen Tagen das Bedürfnis hatte, über seine Vergangenheit zu sprechen – über die Verletzungen, die er als Verdingkind erlebt hatte und nicht thematisiert hat. Obwohl er im Leben kein grosser Kirchgänger gewesen war, suchte er in diesen letzten Momenten bewusst das Gespräch mit dem Seelsorger. Auch bat er mich, genau festzuhalten, was ihm für seine Beerdigung wichtig war – etwas, das wir später mit grosser Liebe umsetzen durften.
«Ich kann mir vorstellen, dass es für Familien in einer ähnlichen Situation sehr wichtig ist, das Caregiver-Projekt zu kennen.»
Christa S.
Für uns Kinder war die Unterstützung von aussen enorm wichtig: die Ärztin, die Pflegekräfte, der Seelsorger, der Bestatter – sie alle halfen uns, in diesem Ausnahmezustand auf die Bedürfnisse unseres Vaters einzugehen. Ohne diese Begleitung hätten wir kaum die Kraft gehabt, ihn so zu begleiten, wie er es sich gewünscht hatte – und dabei auch unseren eigenen Bedürfnissen genügend Raum zu lassen.
Ich kann mir vorstellen, dass es für Familien in einer ähnlichen Situation sehr wichtig ist, das Caregiver-Projekt zu kennen: Betroffene, die da sind, zuhören und bei denen sich andere Betroffene, wie mein Vater, nicht erklären müssen.
Heute, mit etwas Abstand, bin ich voller Dankbarkeit. Dankbar für die Gemeinschaft seines Turnvereins, die ihm bis zuletzt Freude und ein Gefühl von Zugehörigkeit schenkte. Dankbar für all die Menschen, die ihn und uns auf diesem schweren Weg begleitet und getragen haben, sodass wir in Liebe und Frieden Abschied nehmen konnten.
Eines habe ich in dieser Zeit ganz besonders gelernt: Im Ernstfall bleibt kaum Zeit, das passende Angebot zu finden. Nur wer sich im Voraus informieren kann und Kenntnis über die vielfältigen Angebote hat, kann eine Wahl treffen, die den Bedürfnissen aller Beteiligten entspricht.
Dank dem SenseKompass finden Angehörige schnell das passende Angebot und haben Zeit für das Wesentliche: für die Nähe, für die Begleitung und für einen Abschied in Ruhe und Würde.
Bild: Mein Vater mit meinem ältesten Sohn